ILLNER-TALK: Betreuungsgeld statt Krippenplätze: „Eltern haben keine Wahl!“

Von: Von ALEXANDER HAHN

Wohin mit den Kindern, wenn der Job wieder ruft? Betreuungsgeld, Kita-Plätze, Betreuungszeiten für Großeltern – ein „teures, politisches Krippen-Spiel" in mehreren Akten. Selten wurde eine Debatte so emotional und hitzig geführt wie diese.

Kita oder Betreuungsgeld – welche Wahlfreiheit haben Eltern wirklich? Wird sich das Betreuungsangebot in Deutschland überhaupt verändern? Und was ist für Kinder eigentlich das Beste?

Über diese und andere Fragen sprach Maybrit Illner mit ihren Gästen und fragte in die Runde: „Kinder in die Krippe... Mütter in die Produktion?“

► DIE TALK-GÄSTE

Die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU), die Spitzenkandidatin der Grünen für die Bundestagswahl Katrin Göring-Eckardt, die Sprecherin der "Initiative Familienschutz" Hedwig von Beverfoerde, der Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln Heinz Buschkowsky (SPD) und die Journalistin und Moderatorin Barbara Hahlweg.

► DER BETREUUNGS-TALK

Gleich zu Beginn der Sendung geht Moderatorin Illnerin die Familienministerin Kristina Schröder hart an und will von ihr wissen, wie das Betreuungsgeld „passieren“ konnte, obwohl doch alle dagegen waren. „Wir wollten den Eltern eine echte Wahlmöglichkeit geben“, kontert Schröder plump, ohne weiter auf die Frage einzugehen. Sie empfinde darin vielmehr eine Anerkennung für alle Eltern und Kinder.

Die frischgebackene Grünen-Spitzenkandidatin hält dagegen: „Man hat das Gefühl, es geht um die Betreuung von Horst Seehofer“, findet sie. Es gehe hier nicht um Anerkennung, sondern darum, sich von einem Kita-Rechtsanspruch freizukaufen.

Auch die Sprecherin von der „Initiative Familienschutz“ Hedwig von Beverfoerde sieht in dem Betreuungsgeld die Stärkung der Wahlfreiheit, wofür sie prompt Widerspruch des Neuköllner Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky einstecken muss.

„Gerade in sozial schwachen Kreisen hat das Betreuungsgeld eine hohe Inanspruchnahme“, sagt er. So würden völlig falsche Anreize geschaffen. Durch das Betreuungsgeld würde vielmehr die Integration von bildungsschwächeren Kreisen behindert.

BETREUUNGSGELD VS. KRIPPENPLÄTZE

Die TV-Moderatorin Barbara Hahlweg findet das Betreuungsgeld einen Schritt in die falsche Richtung. „Es ist Unsinn, das Geld was wir für Krippenplätze brauchen, jetzt für das Betreuungsgeld auszugeben“, findet sie.

Schröder hält weiter an der Wahlfreiheit fest und möchte wissen, warum Eltern nicht selbst das Recht haben sollten zu entscheiden, was das Beste für ihr Kind ist. Die Antwort bekommt sie von Göring-Eckardt: „Eltern haben kein Wahlrecht, weil es gar nicht genügend Krippenplätze gibt“, findet sie.

Fakt ist: In Deutschland fehlen derzeit rund 220 000 Krippenplätze.

Familienministerin Schröder glaubt weiter fest daran, dass der Ausbau klappen kann, wenn sich alle Beteiligten an ihre Zusagen halten. Den schwarzen Peter gibt sie an die Länder weiter: Sie hätten es oft versäumt, die Gelder weiterzugeben.

Buschkowsky lässt das nicht gelten: „Wo die Millionen von Frau Schröder geblieben sind, interessiert meine Pampers-Träger überhaupt nicht“, spottet er. Auch Göring-Eckardt ist das nicht genug: „Wir sind im Moment bei der Quantität, aber bei Qualität werden wir bei der Betreuung ganz weit hinten sein“, vermutet sie.

DIE KITA-GARANTIE

Sicher ist, dass es ab dem Sommer 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für alle Kinder unter drei Jahren geben wird. Ist der Ausbau bis dahin überhaupt zu schaffen?

Daran äußert Illner Zweifel und möchte wissen, ob für die Entschädigungen mittlerweile schon ein „Entschädigungstopf“ angelegt wurde. „Eltern in solch einer Lebenssituation haben andere Sorgen, als zu klagen“, beschwichtigt Göring-Eckardt.

Dass es aber auch anders kommen kann, weiß der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) nur allzu gut.

Was kaum einer weiß: In Rheinland-Pfalz gibt es den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz bereits seit rund zwei Jahren. Er hat als Stadtoberhaupt jüngst eine Klage verloren, muss jetzt für die private Betreuung einer Zweijährigen aufkommen, weil er nicht ausreichend Kita-Plätze zur Verfügung stellen kann.

„Wenn wir das Geld vom Betreuungsgeld in den Ausbau der Krippenplätze stecken würde, wäre uns vor Ort viel mehr geholfen“, prangert daher auch der Oberbürgermeister an.

HUNDT ERREGT DIE GEMÜTER

In einem Einspieler äußert Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt Bedenken an der dreijährigen Elternzeit, findet diese zu lang.

Von Beverfoerde ist sauer: „Ich finde es einen Skandal, dass sich ein Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft in Dinge einmischt, die ihn überhaupt gar nichts angehen.“ Auch Schröder ärgert sich über die Äußerung und findet „das zutiefst familienfeindlich.“

Rückendeckung bekommt Hundt hingegen von Hahlweg: Sie kann nachvollziehen, dass es Frauen nach drei Jahren Auszeit schwerer hätten in den Beruf zurückzufinden. Auch Buschkowsky sieht darin nichts Verwerfliches: „Es gibt ja keine Elternzeitpflicht“. Es gäbe schließlich auch die Wahlfreiheit früher in den Beruf zurückzukehren.

KLARTEXT

Auch wenn das Thema bereits in den letzten Monaten rauf und runter diskutiert wurde, war die Sendung eine abwechslungsreiche Talk-Runde mit unterschiedlichen Erfahrungen und Meinungen.

Illner ist es gelungen, das sonst sehr emotionale Thema sachlich und breit zu beleuchten und die Diskussion dabei trotzdem mit spitzen, gezielten Fragen zu befeuern.

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