TV-Nachlese "Maybrit Illner" Frau Schröder macht große Augen

Maybrit Illner diskutiert mit Gästen das Betreuungsgeld und alles was dazugehört. Folterstätten, Abzocke, Herzlosigkeit, das ganze Programm. Am Ende zeigt sogar Ministerin Kristina Schröder, was in ihr steckt.

 Ministerin Schröder geriet bei Maybrit Illner mit Heinz Buschkowskky (SPD) aneinander.

Ministerin Schröder geriet bei Maybrit Illner mit Heinz Buschkowskky (SPD) aneinander.

Foto: screenshot zdf

Weiß eigentlich jemand, wie oft bereits in Talkshows das Betreuungsgeld durchgekaut wurde? Maybrit Illner ist das egal. Das Thema bietet immer noch Zündstoff, die Schützengräben sind gezogen, die Positionen bekannt.

Entsprechend ermüdend geht die Runde in die ersten Minuten. Familienministerin Kristina Schröder verteidigt das Betreuungsgeld, die grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt hält das für groben Unfug, ebenso wie Heinz Buschkowsky (SPD) aus Berlin-Neukölln, berühmtester Bezirksbürgermeister der Republik.

Jeder sagt sein Sätzchen auf

Eine halbe Stunde lang bleibt die Diskussion ermüdend, weil schablonenhaft. Illner steuert zielstrebig die Streitpunkte an, jeder sagt sein Sätzchen auf. Die eine Milliarde für das Betreuungsgeld sei viel besser im Kita-Ausbau aufgehoben, meckern die einen. Stattdessen setze es Anreize, die Kinder aus der Kita fernzuhalten.

Schröder beklagt sich hingegen über den diffamierenden Ton in der Debatte. Begriffe wie "Herdprämie" seien daneben, die Plakate der Grünen, die Fünfjährige vereinsamt vor der Glotze zeigen, irreführend. Schließlich gehe es ausschließlich um Ein- und Zweijährige. Szenenapplaus im Studio. Es sollte nicht ihr letzter sein.

Schröder kann auch anders

Denn die so oft als Zickenpuppe belächelte Schröder lässt zumindest erahnen, warum sie es so weit gebracht hat im politischen Berlin. Sie kann auch Angriff, bezeichnet die Forderungen der Arbeitgeber nach einer radikalen Verkürzung der Elternzeit als "zutiefst familienfeindlich". Souverän lässt sie dämliche Fragen nach dem "Schwarzen Peter" abperlen. Sie sei nur daran interessiert, dass endlich genügend Kita-Plätze zur Verfügung stünden. Das wärmt sogar das Herz des politischen Gegners, wie Buschkowsky freimütig einräumt.

An anderer Stelle aber kommt es zwischen den beiden zum Zusammenstoß. Der SPD-Politiker erzählt, dass er als Bezirksbürgermeister überhaupt nicht entscheiden könne, ob Kitaplätze gebaut werden oder nicht. Schröder wird sichtbar unruhig und beginnt auf ihrem Stuhl herumzuzappeln. Intervention: Seit 2007 sei doch jedem bekannt, dass Kitaplätze auszubauen sind. Ein Bezirksbürgermeister der das nicht sehe, habe gepennt, wirft sie Buschkowsky vor. Schröder hat sich dabei weit nach vorne gelehnt, die Augen sind weit geöffnet.

Buschkowsky kontert

Der aber wird seinem Ruf als schlagfertiges Berliner Original vollauf gerecht. "Sehr verehrte Frau Bundesministerin, Sie müssten doch eigentlich wissen, dass es keinen Finanztransfer zwischen dem Bund und einem Bezirk in Berlin gibt", entgegnet er. Daruf folgt der finale Hieb: Die Kohle könne sie ihm aber direkt schicken. Dann solle sie mal sehen, wie sich die Kräne drehen. Punkt für die SPD-Neukölln.

Für Drive in der Veranstaltung sorgt als heimlicher Gegenpart zu Buschkowsky aber vor allem Hedwig von Beverfoerde. Die Sprecherin der "Initiative Familienschutz" ist sicherlich die spannendste Figur an diesem Abend: Denn sie gibt der Betreuungsgeld-Lobby die entschlossene Stimme - also auch denen, die in Kommentarspalten und Diskussionen immer als Vertreter eines Heimchen-und-Herd-Weltbildes verhöhnt wurden.

Nur Verachtung

Von Beverfoerde hat trotzdem kraftvoll für die Einführung des Betreuungsgeldes gekämpft. Ihr Credo: Unter Dreijährige gehören nach Hause, außerdem stehen ihren Eltern genauso 1100 Euro monatlich zu wie den Nutznießern von subventionierten Kita-Plätzen.

Sie hat klare Vorstellungen von dem, was gut für kleine Kinder ist. Unter Dreijährige bräuchten vor allem Bindung und nicht Bildung. In Kitas aber fehlten feste Bezugspersonen. An anderer Stelle klingt an, dass Angestellte kaum so liebevoll mit Kindern umgehen dürften wie die eigenen Eltern.

In einem Beispiel beschreibt sie, wie sie sich das idealtypisch vorstellt: Sie beschreibt ein Kleinkind auf dem Schoß, wie es das Gesicht der Mutter beobachtet, es spiegelt und dadurch lernt. In der frühkindlichen Pädagogik ist es vollkommen unstrittig, wie elementar solche Erfahrungen für die Entwicklung von Kleinkindern sind. Buschkowsky hat für solche Einlassungen trotzdem nur Verachtung übrig.

"Den ganzen Tag auf dem Schoß"

"Das sind doch alles nur Sprüche", kanzelt er von Beverfoerde ab. Mit der Praxis habe das alles nichts zu tun. Ihm sei noch kein Fall bekannt, in dem fünf Stunden Kindertagesstätte die kindliche Bindung zur Mutter aufgehoben hätten. Wenn er das schon höre, die Kindergärten als furchtbare Marterstätten. "Wissen Se wat? Da werden Kinder auch in den Arm genommen", belehrt er die Familienschutz-Sprecherin. Da könnten Kinder auch spielen. "Den ganzen Tag auf dem Schoß. Det arme Kind!"

Wie so oft prallen in der Betreuungs-Debatte bei Illner zwei Welten aufeinander. Buschkowsky fordert Kindergartenpflicht, weil er weiß wie sehr Eltern ihre Kinder vernachlässigen können und ihnen damit jegliche Perspektive rauben. Von Beverfoerde argumentiert hingegen aus einer Welt heraus, in der die Eckdaten noch stimmen. Auch deswegen kommt es bei Illner trotz des heißen Themas in manchen Dingen zum Konsens: Selbstverständlich lieben Eltern ihre Kinder.

Göring-Eckardt bleibt blass

Und die grüne Spitzenkandidatin Göring-Eckardt? Argumentiert an diesem Abend nüchtern und seriös wie gehabt, bleibt aber ansonsten weitgehend Randfigur. Für den Wahlkampf wird sie sich steigern müssen. Sie bleibt bei Illner ähnlich gesichtslos wie die vierte Frau in der Runde, die ZDF-Journalistin Barbara Hahlweg.

(pst)
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