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65.000 Anträge Das Betreuungsgeld boomt

Zuhause betreut: Den Antrag stellen bislang fast ausschließlich Mütter

Zuhause betreut: Den Antrag stellen bislang fast ausschließlich Mütter

Foto: Jan Woitas/ picture alliance / dpa

Die Herdprämie wurde heftig kritisiert. Nun belegt die erste offizielle Statistik zum Betreuungsgeld: Die staatliche Leistung wird von mehr Eltern beantragt als angenommen. Besonders hoch war die Nachfrage 2013 in Bayern und Baden-Württemberg.

Für rund 65.000 Kinder wurde in den Monaten August bis Dezember 2013 Betreuungsgeld ausgezahlt. Das belegen Daten, die das Statistische Bundesamt (Destatis)  nun erstmals zu der umstrittenen familienpolitischen Leistung veröffentlicht hat. Berechnungen von SPIEGEL ONLINE zufolge wird das Geld im bundesweiten Durchschnitt für 23 Prozent aller Kinder gezahlt, die in dem entsprechenden Zeitraum geboren wurden.

Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede innerhalb Deutschlands: In den westdeutschen Bundesländern wurde für 26 Prozent der Kinder Betreuungsgeld beantragt, in den ostdeutschen für 8. Spitzenreiter sind Baden-Württemberg und Bayern (38 Prozent und 34 Prozent), Schlusslichter Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin (jeweils vier Prozent). Generell ist die Akzeptanz in den Stadtstaaten geringer als in den Flächenländern.

(Klicken Sie auf die Bundesländer, um die genauen Werte zu sehen.)

Insgesamt nutzen damit wesentlich mehr Eltern die seit August letzten Jahres verfügbare Leistung als angenommen. "Das sind erstaunlich hohe Quoten", sagt Stefan Sell, der sich als Professor für Sozialwissenschaften an der Hochschule Koblenz mit dem Thema Kinderbetreuung befasst. Er sei überrascht, dass sich das Betreuungsgeld so schnell durchsetze: "So eine neue Leistung breitet sich eigentlich langsam aus, weil sie erst einmal bekannt werden muss."

Die hohe Akzeptanz sei in diesem Fall umso erstaunlicher, da einige Bundesländer wie etwa Rheinland-Pfalz in den ersten Bezugsmonaten "passiven Widerstand" geleistet hätten, indem sie Eltern nur sehr zurückhaltend über das Betreuungsgeld informierten. Dennoch liegt auch in Rheinland-Pfalz die Quote der Betreuungsgeld-Bezieher mit 21 Prozent sogar über dem Anteil von 16 Prozent der gleichaltrigen Kinder, die eine öffentliche Kita besuchen oder von einer Tagesmutter betreut werden (ein- bis zweijährige Kinder im März 2013).

Das steckt hinter dem Regionalvergleich

Noch im Februar schien es, als könne die neue Familienleistung zum Rohrkrepierer werden: Eine Anfrage der Partei Die Linke hatte ergeben, dass der Bund 2013 nur 16,9 Million Euro für das Betreuungsgeld ausgegeben hatte, und damit gerade mal knapp ein Drittel der Summe von 55 Millionen Euro, die im Haushalt 2013 dafür eingeplant gewesen war.

Sozialwissenschaftler Stefan Sell erwartet hingegen, dass die Akzeptanz des Betreuungsgeldes noch weiter steigt, wenn es bekannter wird. Damit wirke es der politischen Forderung entgegen, Frauen nach Geburt ihrer Kinder früher zurück in den Beruf zu bringen. "Das Betreuungsgeld zementiert das längere Zuhausebleiben der Mütter", sagt Stefan Sell. "Was viele Kritiker befürchtet haben, bewahrheitet sich jetzt." Dass das Betreuungsgeld im Osten so selten beantragt werde, ist für Sell kein Widerspruch. Dort sei es schon lange normal, die Kinder früh in die Krippe zu bringen. Was die Kinderbetreuung angehe, seien West und Ost weiterhin zwei Welten.

Für die neue SPD-Familienministerin Manuela Schwesig ist das Betreuungsgeld eine Kröte, die sie beim Aushandeln des Koalitionsvertrages schlucken musste. Sofort wieder abschaffen kann sie es nicht. Die politische Diskussion darum ist für sie aber noch nicht beendet. Gegenüber dem SPIEGEL  kündigte sie zu Beginn ihrer Regierungszeit an, genau beobachten zu wollen, wie das Betreuungsgeld angenommen werde.

Bisher ist die Reaktion ungewöhnlich gut. Das Volk, so scheinen es die neuen Zahlen zu belegen, hängt stärker an einem konservativen Familienbild als gedacht: Es sind bisher zu 95 Prozent die Mütter, die Geld dafür beziehen, dass ihre Kinder im eigenen Haushalt betreut werden.

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