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Betreuungsgeld freut bildungsferne Familien

Politikredakteurin
Schnuller von Kleinkindern hängen an einem Brett: Durch das Betreuungsgeld bleiben manche kleine Kinder eher zu Hause Schnuller von Kleinkindern hängen an einem Brett: Durch das Betreuungsgeld bleiben manche kleine Kinder eher zu Hause
Schnuller von Kleinkindern hängen an einem Brett: Durch das Betreuungsgeld bleiben manche kleine Kinder eher zu Hause
Quelle: dpa
Anfang August wird das Betreuungsgeld angehoben. Eine Befragung von über 100.000 Eltern gibt Kritikern deutlichen Auftrieb. Doch für die CSU bleibt die Maßnahme eine „Erfolgsgeschichte“.

Ein Jahr nach Einführung des umstrittenen Betreuungsgeldes für Kleinkinder bestätigt eine Studie die Befürchtungen der Kritiker, die Familienleistung schaffe falsche Anreize. Tatsächlich führt das Betreuungsgeld offensichtlich dazu, dass sozial benachteiligte Familien auf das staatliche Angebot von Kita-Plätzen und frühkindlicher Bildung verzichten. Es sind vor allem Migrantenfamilien und bildungsferne Eltern, so zeigt die Studie, die es vorziehen, ihre Kinder zu Hause zu betreuen.

Das Deutsche Jugendinstitut und die Universität Dortmund hatten für die Studie mehr als 100.000 Elternpaare mit Kindern unter drei Jahren befragt. 54 Prozent der Eltern, die keine Berufsausbildung oder nur einen Hauptschulabschluss haben, nannten das Betreuungsgeld als Grund dafür, dass sie ihre Kinder nicht in eine Kita schicken. Bei Eltern mit mittlerer Reife reduzierte sich dieser Anteil auf 14 Prozent, bei Akademikern lag dieser Anteil gerade einmal bei acht Prozent.

Schwesig sieht Betreuungsgeld kritisch

Die Studie wertet diese Befunde als Beleg dafür, dass die Geldprämie einen falschen Anreiz schaffe. Es blieben gerade die Kinder zu Hause, für die frühkindliche Bildungsangebote und Sprachförderung besonders wichtig wären. SPD-Fraktionsvize Carola Reimann forderte, aus der Studie umgehend Konsequenzen zu ziehen. „Die SPD ist bereit, das Betreuungsgeld sofort abzuschaffen“, sagte Reimann der „Welt“. Die frei werdenden Mittel sollten so eingesetzt werden, dass sie direkt bei den Kindern ankommen.

Gefördert wurde die Untersuchung von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD). Dass die Ministerin dem Betreuungsgeld „skeptisch“ gegenüberstehe, sei kein Geheimnis, sagte eine Ministeriumssprecherin am Sonntag. Die Ministerin setze auf eine moderne Familienpolitik und wolle mit dem Elterngeld Plus beides fördern: mehr Zeit für die Familie zu haben, aber auch für den Beruf.

Über die Zukunft des Betreuungsgeldes wird aber möglicherweise nicht die schwarz-rote Koalition, sondern das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Die Hansestadt Hamburg hat in Karlsruhe gegen die Familienleistung geklagt. Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) kritisierte am Wochenende, dass Kindern durch die Geldprämie der Zugang zu frühkindlicher Bildung verwehrt werde. „Das Betreuungsgeld schafft falsche Anreize“, sagte Scheele. Gerade bei der frühen Sprachförderung zeige sich, wie wertvoll die Betreuung und Bildung in einer Kita sei.

Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katja Dörner, fühlt sich durch die Studienergebnisse in ihrer Kritik bestärkt. „Das Betreuungsgeld wurde von der Union wider besseres Wissen durchgedrückt“, sagte Dörner. Es bestätige sich nun, was alle Experten vorausgesagt haben. „Im Sinne einer bestmöglichen Förderung aller Kinder sollte die Bundesregierung das Betreuungsgeld schnellstmöglich wieder abschaffen.“

Ab August 150 Euro im Monat

Seit dem 1. August 2013 haben Eltern einen Anspruch auf Betreuungsgeld, wenn sie ihr Kleinkind nicht in eine Kindertagesstätte oder zu einer Tagesmutter geben. Die Regelung gilt für Kinder im Alter von 15 Monaten bis maximal drei Jahren. Die Eltern erhalten monatlich 100 Euro, vom kommenden August an werden es 150 Euro sein. Das Betreuungsgeld war auf Betreiben der CSU noch von der schwarz-gelben Bundesregierung eingeführt worden. Lange war über das als „Herdprämie“ geschmähte Betreuungsgeld heftig gestritten worden.

Das Deutsche Jugendinstitut hatte bereits im Februar dieses Jahres in einer Stellungnahme zur Wirkung des Betreuungsgeldes darauf hingewiesen, dass vor allem Mütter mit geringem Einkommen und niedrigem Qualifikationsniveau die Geldprämie beantragen würden. „Das Betreuungsgeld hat damit polarisierende Effekte auf Mütter“, hieß es in der Stellungnahme. Die Autoren stützten sich dabei vor allem auf Erfahrungen mit einem Betreuungsgeld in Norwegen, Schweden und Finnland.

Thüringen sammelte bereits Erfahrungen

Die Experten des Jugendinstituts hatten aber auch die Auswirkungen des sogenannten Landeserziehungsgelds in Thüringen analysiert, das 2006 eingeführt worden war. Dort war der Anteil der zweijährigen Kinder, die in einer Kita betreut werden, nach Einführung der Geldprämie um 25 Prozent zurückgegangen. Das betraf auch in Thüringen vor allem Alleinerziehende, Familien mit geringem Bildungsstand sowie Familien mit geringem Einkommen. Das Landeserziehungsgeld führte aber offensichtlich auch dazu, dass ältere Geschwisterkinder nicht in die Kita geschickt, sondern auch zu Hause betreut werden.

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Bundesweit bezogen nach Angaben des Statistischen Bundesamts im ersten Quartal 2014 fast 146.000 Mütter und Väter Betreuungsgeld für ihre Kleinkinder, davon allein 33.000 in Bayern. Die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) bewertete die Einführung des Betreuungsgeldes denn auch positiv.

Kind nicht gleich in fremde Obhut geben

„Das Betreuungsgeld ist eine Erfolgsgeschichte“, sagte Müller und wies Vorwürfe der Kritiker zurück, die Familienleistung werde hauptsächlich von armen Einwandererfamilien beantragt. „Das Betreuungsgeld wird von allen Einkommensschichten bezogen und gleichermaßen von Eltern mit und ohne deutschen Pass“, stellte Müller klar. 28.000 Bezieher hätten einen deutschen und 5000 einen ausländischen Pass.

Die Einführung sei goldrichtig gewesen, sagte Müller. Viele Eltern wollten ihr Kind eben nicht gleich nach dem ersten Geburtstag in fremde Obhut geben, sondern erst einige Monate später. Das Betreuungsgeld erfülle daher auch eine wichtige Brückenfunktion. Auch die Chefin der bayerischen Staatskanzlei, Christine Haderthauer (CSU), wies Kritik am Betreuungsgeld entschieden zurück. Die Diskussion darüber, ob nun Elternzuwendung oder Kita besser oder schlechter seien, sei ein „ideologischer Tiefschlag“ gegen alle Eltern von Kleinkindern.

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