Der Vertrag soll vor dem nächsten Christopher Street Day in Stuttgart unterzeichnet werden Foto: Piechowski

Noch vor der Sommerpause will Grün-Rot das leidige Sex-Thema abräumen: Der Aktionsplan für Schwule und Lesben soll bereits an diesem Dienstag ins Kabinett kommen.

Stuttgart - Rund eine Million Euro will die grün-rote Landesregierung noch in dieser Legislaturperiode in Maßnahmen investieren, mit denen die Gesellschaft für die Probleme sexueller Minderheiten sensibilisiert und Diskriminierungen abgebaut werden sollen. Der entsprechende Aktionsplan, über den seit Monaten hitzig diskutiert wird, soll am diesem Dienstag vom Landeskabinett beschlossen werden.

Ursprünglich wollte sich Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD), die den Plan federführend verantwortet, mehr Zeit lassen. Aber dann wurde eine Wunschliste öffentlich, die über 200 Vorschläge der Betroffenen enthielt und für die Kritiker des Vorhabens ein gefundenes Fressen waren. Also hat sie das Tempo angezogen, bereits am vergangenen Dienstag hat sie sich die Zustimmung der beiden Regierungsfraktionen für ihr Maßnahmenpaket geholt, nun geht es in die höchste Runde – in die der Minister.

Vertragspartner ist das „Netzwerk LSBTTIQ“

Im Aktionsplan sind dem Vernehmen nach nur Maßnahmen enthalten, die von den Landesministerien sofort umgesetzt werden können. Vorschläge, die eine Initiative auf Bundesebene oder Gespräche mit den Kommunen erfordern, wurden vertagt. Um die Betroffenen darüber hinwegzutrösten, dass allenfalls ein Bruchteil ihrer Wünsche Realität wird, will Altpeter ihnen in einem kurzen Vertrag schriftlich zusichern, dass sich das Land auch nach der Landtagswahl im März nächsten Jahres für die Belange sexueller Minderheiten starkmachen wird, also die Umsetzung weiterer Maßnahmen anstrebt. Vertragspartner ist das „Netzwerk LSBTTIQ“ – ein Dachverband von etwa 70 Gruppen, die Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle und queere Menschen repräsentieren.

Der Vertrag soll am kommenden Montagabend feierlich unterzeichnet werden, wenn Altpeter im Neuen Schloss in Stuttgart zum Empfang der Landesregierung im Vorfeld des für Schwule und Lesben bedeutsamen Christopher Street Day (CSD) lädt. Die politisch-bunte CSD-Parade durch die Stuttgarter Innenstadt findet dann am 25. Juli, einem Samstag, statt.

Obwohl Altpeter den Vertrag im Namen des Landes unterzeichnet, fühlt sich die CDU im Landtag daran nicht gebunden. „Wir werden sicher andere Schwerpunkte setzen“, kündigt der frühere Verkehrsminister Ulrich Müller (CDU) für den Fall an, dass die CDU nach der Landtagswahl den Ministerpräsidenten stellen wird. Müller sieht in dem Vertrag nur ein „politisches Versprechen“, von Grün-Rot, mehr nicht.

Zu viel Wertschätzung für sexuelle Minderheiten?

Ein Versprechen allerdings, das es zugleich in sich hat. Laut Müller wird die einseitige Bevorzugung sexueller Minderheiten – so interpretiert er das grün-rote Vorgehen – durchaus im beginnenden Landtagswahlkampf eine Rolle spielen. „Ich glaube schon, dass das ein Thema ist“, sagt er. Bürgerliche Wähler, die ansonsten den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gut fänden, würden ihm diesen Kurs übelnehmen, meint Müller. Seiner Meinung nach bringt Grün-Rot sexuellen Minderheiten zu viel Wertschätzung entgegen – und der klassischen Ehe und Familie, die ja unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stehe, zu wenig. „Die Frage ist: Was schätze ich wert – und was toleriere ich?“, sagt er.

Zu den Punkten des Aktionsplans, dessen Inhalte voraussichtlich am Dienstag vorgestellt werden, gehört auch die Aufnahme sexueller Vielfalt in Schulbücher. Die Landesregierung lege Wert darauf, dass in den Schulbüchern die gesellschaftliche Realität gut abgebildet werde, soll die Formulierung sinngemäß lauten.

Im Kultusministerium bestätigt man, dass man darauf künftig ein Auge haben werde. Zwangsmaßnahmen seien aber nicht geplant, allenfalls Gespräche oder eine Handreichung für die Schulbuchverlage.

Die Änderung der Verordnung für die Zulassung von Schulbüchern, an der das Ministerium gerade arbeitet, habe andere Gründe, so der Ministeriumssprecher. Das Thema sexuelle Vielfalt soll seinen Worten zufolge allenfalls am Rande oder indirekt durch den Verweis auf den aktuellen Bildungsplan vorkommen.

Kurioserweise ist das Gleichmachen von Frau und Mann, das Kritiker der Regierung in dem Zusammenhang auch gern vorwerfen, schon zu CDU-Zeiten in die Verordnung gekommen: In der aktuellen Fassung, in Kraft getreten im Januar 2007, heißt es: Voraussetzung für die Zulassung von Schulbüchern sei, dass die Inhalte „dem Prinzip des Gender-Mainstreaming Rechnung tragen“.